Bernd Schwerdt Foto
Ingmar Bergmann

Private Homepage von Bernd Schwerdt, Hamburg                  

“Sommar” mit Ingmar Bergmann

Sommar!
Das ist natürlich der Sommer, auf schwedisch. Aber es ist noch etwas. Für viele Leute in Schweden etwas mindestens genau so Wichtiges, beziehungsweise, es gehört zum Sommer in Schweden “som snaps till sillen”, also wie der Schnaps zum Hering.
“Sommar” ist ein Radioprogramm, ein Dauerbrenner. Ich kenne es seit Anfang der 70-er Jahre und da hat man mir gesagt, das laufe schon ewig.

Den größten Eindruck hinterließ bei mir die Sendung am 18. Juli 2004 mit dem damals 86-jährigen Ingmar Bergmann.
Bergmann, der vielleicht bekannteste Schwede in der Welt, der für vier seiner Filme einen Oscar erhielt, am “Dramaten” in Stockholm und am Stadttheater in Malmö inszeniert hat und für das Fernsehen unter anderem “Szenen einer Ehe” gemacht hat, war am 18. Juli dieses Jahres zu Gast und machte eine unglaublich spannende Sendung.

“In meinem Sommar-Programm werde ich die schönste Musik spielen, die ich kenne und Musik, die mich durchs Leben begleitet”, so kündigte er seine Sendung vorab in der Presse an. Es war übrigens das erste Mal und eine kleine Sensation, daß Ingmar Bergmann als “sommar-pratare” zu hören war.

Seine allererste Erinnerung an Musik war ein Volkslied aus Dalarna auf der Geige gespielt. Er war damals 4 oder 5 Jahre alt, war auf dem Land und seine Tante war gestorben und lag aufgebahrt, wie damals auf dem Land üblich, im Sarg und da wurde diese Musik von einem Nachbarn auf der Geige gespielt. Er heulte Rotz und Wasser, weil er nicht seine Tante im Sarg sah, sondern ein Bild seiner Mutter, die er über alles liebte. Das war seine erste Erinnerung an Musik.

Bergmann öffnete dann, wie er sagte, seine Schatzkiste. Als “Musik, die wie Gold ist” stellte er den 2. Satz des Klavierkonzertes No. 4 von Ludwig van Beethoven vor. Bergmann beschrieb diese Szene mit dem Bild eines Orchesters, dass schlechte Laune hat und nun kommt das Klavier daher und versucht das Orchester zu trösten.

“Wenn wir jetzt etwas tiefer in der Schatzkiste graben, dann finden wir dort einen Schmuck, von dem nicht nur ich, sondern auch Beethoven, Wagner und Brahms sagen, dass es das Beste sei, was jemals komponiert wurde, nämlich Mozart’s Zauberflöte.”
Bergmann hat die “Zauberflöte” als Film fürs Fernsehen gemacht.
Schwierig war es, Sänger zu finden, die sowohl singen, aber auch schauspielern können, und, “die auch in den Nahaufnahmen glaubwürdig sind”.
 Das Ganze sollte ursprünglich im Drottningsholm Theater (aus dem 18. Jh) gedreht werden; dafür gab es dann allerdings keine Zustimmung. Deshalb wurde die Bühne des Theaters komplett im Studio nachgebaut. Bergmann schwärmt von der konfliktfreien Arbeit mit sehr viel Spass. “Das lag an Mozart’s Musik”.
Bei Männern welche Liebe fühlenAls Musik wählte Bergmann das Duett von Papageno und Pamina, die auf der Flucht vor Sarastro sind. Auf einer kleinen Mauer halten sie inne, setzen sich und singen das Duett über die Liebe, “die Liebe als das Wunderbarste, was es im Leben der Menschen gibt”. (Ein Klick auf das Foto und Sie können das Duett hören!!).

Es folgte die d-moll-Arie von Pamina. Kurz zur Szene: Tamino ist auferlegt worden, einige Prüfungen im Tempel zu absolvieren und keinesfalls zu sprechen. Ach, ich fühl's es ist verschwundenIn dieser Situation trifft Pamina auf Tamino, dem sie gefolgt ist. Als er ihr nicht antwortet, fühlt sie sich von ihm verlassen.
Das Wunderbare an dieser Situation hat Bergmann an der Veränderung des Gesichtsausdruckes, der sich bei Pamina im Verlauf der Arie mit seinen Höhen und Tiefen widerspiegelt, mit der Kamera festgehalten. “Wir haben uns gewissermassen an ihr Gesicht zu einer Nahaufnahme herangeschlichen. Das ist tatsächlich eine der feinsten Nahaufnahmen, die ich in meinem Leben gemacht habe.” (Die Arie gibt es mit einem Klick auf das Foto!!)

Weiter ging es im Programm mit “noch mehr Gold, der Königin der Operetten, der Lustigen Witwe. Eine tolle Musik, grosses Orchester, viele Sänger, grosser Chor und sehr viele Kostüme”.
Diese Operette hat Bergmann unter anderem in Malmö inszeniert.
Er spielte das “Vilja-Lied”, wobei die “Viljas” wohl Waldkobolde sind.

Nach einer Reihe weiterer Musik und Anekdoten kam Bergmann dann zu Bach.
Die Musik von Johann Sebastian Bach und hier insbesondere die Suiten für Cello, “eine Musik, die mir Trost und Erleichterung gegeben hat”.
Gespielt wurde die Suite für Cello Solo Nr. 5 BWV 1012.

Zum Abschluß der Sendung sagte Ingmar Bergmann, daß er dem Publikum gerne zwei Fragen stellen wolle. Die erste Frage, so wollte er wissen, wer hat gesagt: “Bach spielt vierhändig mit unserem Herrn” und zweitens die Frage, woher die Musik kommt. “Wir sind die einzigen Tiere auf der Welt, die Musik machen.”

Resümierend betrachtet war dies für mich eine Sendung, die mich an einigen Stellen doch recht berührte, nicht zuletzt weil die vorgestellte Musik auch zu meinen Favoriten gehört.
Ein bißchen Wehmut war auch dabei, denn zu hören, dass sich Bergmann augenscheinlich an einem Punkt in seinem Leben befindet, wo sich alles auf das Wesentliche als das Wahre und Wichtige konzentriert, beginnt sich ein Kreis zu schliessen.
Als Beispiel dafür das Cello-Solo von Bach in seiner streng reduzierten Form, das man sicher nur so empfinden kann, daß es “Trost und Erleichterung” spendet, wenn die Weisheit des Alters und die unendliche Liebe zur Musik zusammenkommen.
In diesen Zusammenhang passt auch sehr gut ein Gedicht von Reiner Kunze, das mit den Worten beginnt: “Zu Füssen Gottes, wenn Gott Füsse hat, sitzt Bach...”.
oder von einem unbekannten Autor der Ausspruch “Nicht alle lieben Gott, aber alle lieben Bach.”

Übrigens, auf die beiden Fragen, die Bergmann so sehr beschäftigen kamen mehr als 600 Antworten. Der Verlag erwägt jetzt auf Grund dieser unerwarteten Resonanz, diese Briefe in einem Buch zu veröffentlichen.

------------------
Ingmar Bergmann starb am 30. Juli 2007 im Alter von 89 Jahren.

Bergman_Marie

Sveriges Radio “Sommar”
mit dem Real Player kann man sich das Programm im Original anhören.
Links oben im Text auf “lyssna” klicken.

 

Ingmar Bergmanns snapsvisa:
Tystnad! Tagning!